ANONYMUS

Den Kopf in die linke Hand gestützt, den Arm auf den Fensterrahmen gelegt, mit düsterem Blick versucht man den Dreck auf der U-Bahn-Scheibe zu durchdringen und nach draußen zu gucken. Die Bahn klingelt einen Autofahrer an, es ist feucht und es mieft irgendwie nach Bier, die Mitreisenden sind nicht sehr ansehnlich oder zumindest unauffällig, gegen diesen Sinneseindruck kann man sich schwer verschließen, genau wie gegen dieses billige Scheppern aus winzig speckigen Ohrhörern das rhythmisch aus- und wieder einsetzt. Dazu wird lässig der riesige Schuhklotz auf das Polster geschwungen, die halbe Straße klebt noch dran, der junge Mann stinkt nach kaltem Zigarettenqualm.
Cool.
Weiter hinten werden lautstark und immer wieder die Klingeltöne von dem neuen Mobilkleinod vorgespielt, Variationen von Bach, Mozart und auch Beethoven ist dabei, weiß aber keiner. Man sitzt da mit seinen Stofftaschen und dem Rucksack, die Sahne war wohl nicht ganz dicht.
Samstagmorgen, die Leute strömen in die Stadt, können es kaum abwarten sich ins Gewimmel zu stürzen, das Fest der Liebe steht vor der Tür, man merkt's.
Den Tag bekommt man herum.
Auf dem Weg in die Wohnung strahlt und blinkt es einem von überall entgegen, es ist mitnichten nur "Der Stern" von gegenüber, nein, kleine Sternchenschwärme haben sich in Blumenkästen gefangen, Lichternetze spannen sich um krüppelwüchsige Vorstadt-Vorgarten-Bäumchen, knallgelbe Lichtschläuche umwinden Zäune, Briefkästen und schlängeln sich die Giebel hinauf zum Schornstein, ein Rentier aus Draht und winzigen Lämpchen oben drauf...
Darüber spricht man, das fällt auf. Die Themenwahl ist immer schon schwierig gewesen. Was erzählt man, was möchte man eigentlich hören? Wonach muß man fragen, wonach möchte man selbst gefragt werden? Was steckt hinter einem schillernden und ohrenfälligen Bericht über die Geschehnisse des letzten Wochenendes?

©  für die Geschichte: Martin Boehnke