Was habe ich davon?
Der Förster des Klosters Loccum – in der Nähe des Steinhuder
Meers - erzählt, dass die Zisterzienser seit alten Zeiten Eichen pflanzten.
Nun ist bekannt, dass Eichen sehr langsam wachsen. Wer einen solchen Baum
pflanzt und aufzieht, plant in größeren zeitlichen Dimensionen
und nicht nur für sich selbst und seine Zeit. Er sieht nicht nur sich
und seine Generation, sondern blickt über sich selbst hinaus, nach
vorne. Er steckt viel Arbeit, Zeit und Kraft in ein Werk, dessen
Nutzen andere – nach ihm – haben. Kommende Generationen werden die Eiche
weiterpflegen, bis daraus ein prächtiger Baum wird.
In jeder Generation beginnt ein neuer Kreislauf: Geben und nehmen. Heute
trägt das, was die Mönche in den Wäldern um ihre Klosteranlagen
praktizierten, in der Forstwirtschaft den Begriff „Nachhaltigkeit“ und
bestimmt das Agenda- Programm zur Bewahrung der Schöpfung.
Aber es geht heute nicht nur darum, für nachwachsende Rohstoffe
zu sorgen. Nachhaltigkeit meint die Verantwortung für eine Welt,
die uns nur anvertraut ist, in der wir leben wie Glieder in einer Lebenskette.
Wer heute nur für sich selbst lebt, rücksichtslos nur an sich
selber denkt, zerreißt diese Lebenskette.
„Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl,
sondern auch auf das der anderen.“
Das „Wohl der anderen“ ist nicht nur das Wohl meines Nächsten,
meines Nachbarn und Zeitgenossen, der andere ist auch immer der, der nach
mir kommt in der nächsten Generation.
„Auf den anderen schauen“, auf den, der neben mir lebt und nach mir
leben wird, ist eine nachhaltige Aufmerksamkeit, die uns letztlich selbst
zu Gute kommt. Aber mit den Worten des Apostels Paulus ist sie auch:
Geschwisterschaft in Christus und vor Gott. Hier liegt sogar der Grund.
Es ist – folgt man dem Apostel Paulus und den Zisterziensern - der „dienende
Mut“, der Königsweg der Liebe. Demut gegenüber unseren Mitmenschen
und denen, die nach uns kommen! Auf das Wohl der anderen zu achten, heißt
menschlich werden und menschlich handeln.
Im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter entgrenzt Jesus die Nächstenliebe
und macht das Lebensdienliche zur Maxime der zwischenmenschlichen Beziehung
über Stammesgrenzen hinweg. Auch wenn in der Geschichte des Barmherzigen
Samariters der gemeint ist, dem ich zum „Nächsten“ werden kann,
bleibt die Verantwortung auch im zeitlichen Sinne für den „Nächsten“
- der, der nach mir kommen wird - lebens-notwendig.
Es geht um eine Balance: Das eigene Wohl achten. Paulus sagt aber
eben: „Nicht nur“.
Letztlich sind wir aber – um „mit Zukunft zu leben“ - nicht nur angewiesen
auf diese Balance.
„Jeder achte nicht nur auf das eigene Wohl,
sondern auch auf das der anderen.“
Zum Selbstverständnis der Christen gehört es anzuerkennen,
dass sie auf Gott angewiesen sind, auf sein Wort, seine Gnade , auf seine
Gaben des Lebens. Diesen Lebenszusammenhang haben die Zisterzienser erkannt
und gelebt. Wie Paulus vor ihnen richteten sie den Blick auf den, der in
einzigartiger und grundlegende Weise in Demut lebte, der Mensch wurde und
sich als Mensch zu erkennen gab: Jesus Christus.
Nutzen Sie einen freien Tag in diesen Ferienwochen zum Besuch im Kloster
Loccum. Werfen Sie einen Blick hinter die kühlen Klostermauern und
auf das romanische Kreuz in der Klosterkirche. Vielleicht begegnen Sie
ja auch dem Förster.
Ralf Tyra
Hanns-Lilje-Stiftung, Hannover
http://www.lilje-stiftung.de
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