Nichts ist mir fremd

Merkwürdig. 

An diese Äußerung eines mir nicht mehr weiter bekannten Menschen mußte ich denken, als ich den Monatsspruch im Zusammenhang las.
Der das sagte, wollte wohl seine Weltoffenheit und Abgeklärtheit betonen. "Mich haut nichts um, ich kenne alles, was soll daran schon schlimm sein - und überhaupt: ich bin tolerant."
Wie schön für ihn.
Aber beim genaueren Hinsehen ist es recht schlimm um den bestellt, dem "nichts fremd" ist. Er kennt sich selbst nicht mehr, weiß nicht mehr, wer er ist. Er ist in mehrfacher Hinsicht maßlos geworden.

Vielleicht haben Sie ja jetzt etwas ganz anderes erwartet. In unserem Land gibt es Kampagnen gegen Fremdenfeindlichkeit zuhauf. Menschen engagieren sich für die Integration Fremder, für den interkulturellen Dialog, für mehr Toleranz. Und ich finde das wichtig und in Ordnung, auch wenn es manchmal seltsame Blüen treibt. Dennoch schreibe ich nicht auch noch etwas zu diesem Thema.
Was mir auffällt: Wir wissen oft nicht mehr, wer wir selber sind. Warum die anderen "Fremde" sind.

Ein Blick in das 19. Kapitel des 3. Mosebuches, dem der obige Vers entnommen ist, zeigt mir: Der Umgang mit Fremden ist nur ein kleiner Teil der Gebote Gottes für den Umgang miteinander. Bei diesen Geboten sind manche, mit denen auch ich mich nicht leicht tue. Aber immer wieder wird es eingefügt: Ich bin der Herr, euer Gott!
An Gott mißt sich meine ganze Ethik, meine Moral, meine sogenannte Toleranz. Der Fremde bleibt fremd. Er soll leben wie ein Einheimischer, soll aber auch er selbst bleiben. Ich darf ihn deshalb nicht bedrücken, und ich soll ihn lieben wie mich selbst. 

?


Ja, das ist mir schon eine Frage. Ob ich das schaffe. Ob es so gut ist, wenn ich sage: "Mir ist nichts fremd." Oft genug bin ich mir doch selbst fremd, ist auch Gott mir fremd mit seinen Geboten und seiner Liebe zu mir.

Wie gut, daß ich für Gott kein Fremder bin. Auch Sie übrigens nicht. Und das halte ich auch für merk-würdig.

Gottes Segen und gute Gedanken dazu.
 
 
Karl-Martin Voget
Pastor in Haimar und Rethmar 
 

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