Ehrfurcht vor dem Leben
Was ist da geschaffen, und warum ist es gut?
In der Schöpfungsgeschichte, wie sie
die Bibel überliefert, wird ein Lebenszusammenhang geschaffen. Alle
Teile und Aspekte der Schöpfung Gottes sind einander zugeordnet.
Alles Geschaffene gewinnt gerade durch diese Zuordnung ihren Platz und
ihren Sinn. Und darin, daß es einander zugeordnet war und, sich wechsel-
seitig ergänzend, einen Lebenszusammenhang ergab, darin war es gut.
In der Schöpfungsgeschichte wird die
Beziehung zwischen Gott, Natur und Mensch als Dreiecksverhältnis
beschrieben. Staunend angesichts des Lebenszusammenhangs der Schöpfung
verehrt der Mensch seinen Schöpfer und betet ihn an. Der Mensch versteht
seinen Auftrag, den Lebenszusammenhang der Natur in Verant- wortung vor
seinem Schöpfer zu gestalten.
Aus diesem Dreiecksverhältnis von Gott,
Natur und Mensch ist heute in zunehmenden Maße Gott herausgefallen.
Mit dem Verlust Gottes und der Ehrfurcht vor dem Zusammenhang des Ganzen
versteht sich der Mensch selber als eine Art neuer Gott. Er ist nur noch
sich selbst verantwortlich. Die Natur wird zum Steinbruch des Menschen,
der nur noch sich und seine Zwecke kennt.
Die Schöpfungsgeschichte erinnert uns
daran, daß am Anfang
ein Lebenszusammenhang zwischen Mensch, Natur und Gott bestand.
Der Mensch steht immer in Gefahr, an der Maßlosigkeit seines Umgangs
mit der Natur an seiner Bestimmung zu scheitern. Die Wiedergewinnung der
Ehrfurcht vor dem Leben muß daher unsere wichtigste Aufgabe sein.
Das sagt sich leicht. Was kann man tun?
Im Alten Testament heißt es einmal:
„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ Entdecken wir neu
das Staunen und die Dankbarkeit für den Lebenszusammenhang des Ganzen
und danken wir Gott für jeden Tag, der uns geschenkt wird. Singen
wir Gott ein neues Lied und singen wir es mit allem Geschaffenen
zusammen.
Das ist das Lied der Zukunft.
Ralf Tyra
Hanns-Lilje-Stiftung
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