Monatsspruch für Dezember 2003

Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde.

(Jesaja 43, 19)


„Alle Jahre wieder ..." können die Menschen es anscheinend kaum erwarten, dass es Weihnachten wird. Noch vor Ewigkeitssonntag - oder wenigstens gleich am Montag danach - werden an jeden verfügbaren Tannenzweig Lichter gesteckt, Wohnungen geschmückt und Straßen festlich beleuchtet.
Alle Jahre wieder das gleiche Spiel? - Der Spruch für den Monat Dezember spricht eine ganz andere Sprache: Etwas Neues soll kommen, es wächst heran, es bricht sich Bahn.
Aber - wollen wir das eigentlich?
Menschen können ihr Leben noch so unkonventionell gestalten, Weihnachten - das ist ‚etwas anderes': Da wird eben immer Gans gegessen oder Fondue oder Kartoffelsalat mit Würstchen. Am ersten Adventssonntag holt man Opa aus dem Altersheim, und den Adventskranz schmückt man rot.
Etwas Neues schaffen? Nein, das Alte, das, was uns von Kind an vertraut ist, die längst verlorene Wärme und Geborgenheit, das alles wird in diesen Tagen gesucht. Und so mancher reagiert ausgesprochen empfindlich, wenn der Pastor oder die Pastorin diese Idylle durch eine entsprechende Weihnachtspredigt stört.
„Siehe, ich will ein Neues schaffen ..." Diese Worte sind gerichtet an Menschen, die am Ende sind. Wie in einem dunklen Zimmer fühlen sie sich, in dem man die Hand nicht vor Augen sehen kann.
Was ist passiert? Das babylonische Reich, zur damaligen Zeit die Großmacht des Vorderen Orients, hat Israel annektiert, die gesamte Ober- und Mittelschicht deportiert und schließlich 586 auch noch Jerusalem und den Tempel zerstört. Die Israeliten werden im Zwischenstromland angesiedelt. Sie leben, nicht einmal schlecht; aber ihr Mut und ihr Stolz sind ihnen genommen. Sie sehnen sich zurück, sie halten fest an den alten Bräuchen, Festen, Geschichten und Liedern. Nur nicht an morgen denken, es kann nur noch schlimmer kommen.
Mitten in dieser Dunkelheit zündet jemand eine Kerze an.
Ein Prophet („Deuterojesaja") tritt auf und kündigt die Befreiung an: „Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde." - Da, wo Menschen keinen Weg mehr sehen, wo alles aussichtslos scheint, wo Unrecht und Unterdrückung frech triumphieren, wird Gott von Neuem eingreifen, wird er einen Weg weisen aus aller Ausweglosigkeit hinaus.
Was hat unser Advent mit der babylonischer Gefangenschaft zu tun?
Nichts gegen festliche Stimmung und Geschenke und Weihnachtsschmuck!
Aber in jedem Jahr frage ich mich neu: Warum diese künstliche Stimmungsmache? Warum dieses nostalgische Getue? Waren Sie in diesem Jahr schon einmal in den Deko-Abteilungen der Kaufhäuser? Warum immer nur der Blick zurück?
Die Jahre, die auf uns zukommen, machen uns nicht jünger und nicht gesünder. Und die Zukunft der Welt macht uns zunehmend Angst. Darum: Schotten dicht; Blick zurück; Retten, was zu retten ist an Stimmung und Wohlgefühl?
„Siehe, ich will ein Neues schaffen." - Das Weihnachtsgeschehen - die Geburt Jesu - das ist etwas unerhört Neues: Gott wird Mensch. Er kommt uns nahe. Er ist bei uns. Es gibt nichts mehr in unserem menschlichen Leben, was er nicht kennt, von dem er nicht weiß. Der Erlöser der Welt - ein Wickelkind! Erkennt ihr´s denn nicht?
Einen ganzen Monat lang will der Vers aus Deuterojesaja uns ermutigen, diesem Neuen nachzuspüren, zu erfahren: Es gibt eine Zukunft, die vor uns liegt und nicht nur Vergangenheit hinter uns.
Kleine Schritte möchte ich tun in diesem Jahr, dieses Neue in mein Leben hineinzulassen: Jeden Tag möchte ich mir eine Viertelstunde Zeit nehmen, mir an einem bestimmten Platz eine Kerze anzünden und ungestört nachdenken, staunen, nichts erledigen. Es kann viel geschehen, wenn nichts geschieht.
Und wenigstens einmal will ich mich auf den Weg machen zu dem lebendigen Adventskalender, der auch in diesem Jahr wieder in meiner Gemeinde angeboten wird: Ein Haus öffnet jeden Tag seine Tür, lädt ein zum Singen, Erzählen, Geschichten hören, zum Zusammensein mit anderen.
Spekulatius, Goldsterne und Jingle Bells sind das eine - Gott aber sagt: „Siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht? Ich mache einen Weg in der Wüste und Wasserströme in der Einöde."

Pastorin Anita Christians-Albrecht
Anita Christians-Albrecht
Burgdorf
Beauftragte für plattdeutsche Verkündigung

Homepage: www.plattduetsch-in-de-kark.de

Die Meditationen wurden veröffentlicht im Rahmen der
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