Wort zum Monat Oktober 2005
Vertrau ihm, Volk Gottes, zu jeder Zeit! Schüttet euer Herz vor ihm aus! Denn Gott ist unsere Zuflucht.
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Auf dem Weg zum Kindergarten durchquerte ich mit dem Fahrrad häufig eine Einbahnstraße gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung. Die Alternative wäre ein großer Umweg gewesen, wenn man kinder- und verkehrsgerechtes Verhalten voraussetzt. Unser damals fünfjähriger Sohn bemerkte meinen Ärger über diese Straßenführung in der Siedlung, und er fragte eines Tages: Papa, wer hat eigentlich diese Einbahnstraße gemacht? Wer hat die Schilder aufgestellt? Das war doch bestimmt die Polizei? - Kurze Pause. Er wartete meine Antwort aber nicht ab und fragte weiter: Oder war das vielleicht doch Gott? - Langes Schweigen.
Ich war in diesem Fall doch eher für die Polizei und sagte ihm das auch. Auf dem Rückweg vom Kindergarten kam ich allerdings über diese Frage ins Nachdenken. Mir fiel auf: Natürlich, da war bei meinem Sohn ein Urvertrauen in Gott. Gott ist für alles verantwortlich. Auch für das, was er sich selbst noch nicht richtig erklären konnte. Und im Umkehrschluss, es muss gut und sinnvoll sein, wenn es von Gott kommt. Aber mir kommt es hier nicht so sehr auf das Gottesbild an, sondern noch auf etwas anderes: Die Frage nach Gott, und damit auch nach Vertrauen und Glauben, entscheidet kaum jemand allein für sich. Die Frage nach Gott und ob ich auf ihn vertrauen kann, findet ihren Ort vielmehr im Gespräch. Kinder wie Erwachsene brauchen Gespräche, den Austausch mit anderen. In Gesprächen erschließen sie sich Wahrheit. Sie orientieren sich, vergewissern sich über das, was ihnen im Kern lebenswichtig ist. Vertrauen und Glaube, von dem das Psalmwort spricht, lebt und entsteht in Gesprächen. Und was sich nicht im Gespräch bewährt, läuft ins Leere. Hier findet die Herausforderung, die Provokation, das Spiel von Frage und Antwort statt. Im Gespräch kann sich Vertrauen steigern, intensivieren, verlieren, in jedem Fall auf lebendige Weise verändern. Jesus, der Rabbi und Gelehrte, lässt sich immer wieder in ein Streitgespräch mit seinen pharisäischen Kollegen ein. Mit diesem Gesprächsmut ist er nicht allein in der Bibel: Hiob erträgt geduldig die bohrenden Fragen seiner Freunde: Hängt das zusammen, das, was einer tut, und das, was ihm Gott geschehen lässt? Es macht die Größe Hiobs aus, dass er sich den einfachen Erklärungsmustern der Freunde hartnäckig und unbeirrbar verweigert. Gewissheit und Wahrheit kann gerade in der Verweigerung einfacher Antworten liegen. Das bringt mich auf den zweiten Punkt. Die erste Einsicht lautet: Vertrauen und Glaube lebt von Gesprächen. - Die zweite Einsicht lautet aber genau umgekehrt: Gespräche leben vom Vertrauen und Glauben. Selbst in den größten Meinungsverschiedenheiten darf das Grundvertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes nicht aufhören. Diese Barmherzigkeit erst macht den Menschen zu Gottes Ebenbild. Und sie macht Menschen gesprächsfähig. In meinem Arbeitszimmer hängt ein Bild von Hermann Buß „Der Eisspringer". Darauf angesprochen, sage ich gern: Ein Fundament trägt nur, wenn man darauf baut. Ob Wasser trägt, erfährt nur, wer sich ihm anvertraut. Ob das Wort Gottes trägt, nur, wer sich darauf einlässt. Ralf Tyra Sekretär der Hanns-Lilje-Stiftung Homepage: HOMEPAGE
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Die Meditationen wurden veröffentlicht im Rahmen der
Homepage der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover. Die Rechte an den Texten liegen bei den Verfassern. zur Übersichtsseite der Meditationen |