Wort zum Monat August 2002

Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, daß wir Gottes Kinder heißen sollen - und wir sind es auch!

(1. Johannes 3, 1)

Kind-sein, das hat wohl zwei Seiten: Zum einen denken wir bei Kindern an Leichtigkeit, Lebenslust, unbändige Freude. Kind-sein ist doch etwas Wunderbares! Andererseits: Kind-sein heißt auch abhängig sein, unmündig vielleicht, an Weisungen gebunden - welcher erwachsene Mensch möchte das schon?
"Gottes-Kinder-sein" löst also immer doppelte Gefühle aus. Zum einen ist da das Glück, mich als Gottes Kind erfahren zu dürfen. Ich bin geliebt, Gott wendet sich mir zu. Ich kann mich darauf verlassen, dass Gott Tag und Nacht für mich da ist, wie ein Vater und eine Mutter, die alles tun, um ihrem Kind Geborgenheit zu geben. Kindsein kann ungeheuer befreiend und entlastend wirken: Da liebt dich jemand, ganz gleich, was du tust, ob du versagst oder nicht, wie du aussiehst, wie es dir geht, jemand ist immer für dich da. Ja, da möchten wir gerne Gottes Kinder sein.
Kind Gottes sein heißt aber auch, mich fügen in bestimmte Vorgaben, ich akzeptiere, dass jemand hinterfragt, was ich tue. Gottes Gebote lasse ich für mich gelten. In einer Welt, die Freiheit mit Grenzenlosigkeit verwechselt, nehme ich Gottes Lebensregeln als verbindlich an. Wer sich Gott als Kind anvertraut, öffnet sich natürlich auch für eine Beziehung zu Gott. Die wird sich vielleicht langsam entwickeln: von einer ersten Kontaktaufnahme zu einem kontinuierlichen Gespräch zum Vertrauen. Das Gebet entsteht ja nicht plötzlich, sondern wächst in so einem Prozess zu einem Dialog. In einer solchen Beziehung zu Gott werde ich dann zugeben, dass in meinem Leben nicht alles so ist, wie es sein soll. Da habe ich einen anderen Menschen vor den Kopf gestoßen, betrogen, bin gar nicht die Person, die ich nach außen vorzusein gebe. Ein Kind kann sich vor den Eltern kaum verstellen, wenn Eltern und Kind sich wirklich nahe stehen.
Ich bin gerne Kind Gottes. Ich fühle mich dadurch befreit von manchem Urteil anderer, das so vernichtend sein kann. Gott sagt mir: Du bist gewollt, du bist geliebt. Ja, da bin ich gerne Kind. Und ich sehe, dass ich mich einer Verantwortung stellen muss: Gott hat nicht nur einen Zuspruch für mich, sondern auch einen kräftigen Anspruch auf mein ganzes Leben wie es die Barmer theologische Erklärung formuliert hat. Ja, Gott darf von mir erwarten, dass ich Gottes Gebote ernst nehme, und ich darf mich Gott anvertrauen und auch beichten, wo ich diese Gebote übertrete. Annehmen, dass ich Gottes Kind bin mit allem Zuspruch und Anspruch - der Monat August gibt uns das mit auf den Weg.Landesbischöfin Dr. Margot Käßmann




Dr. Margot Käßmann
Landesbischöfin der Hannoverschen Landeskirche

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Die Meditationen wurden veröffentlicht im Rahmen der
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