Wort zum Monat Juli 2005

Nüms van uns is wiet weg von Gott. // Keinem von uns ist Gott fern.

(Apostelgeschichte 17, 27)


„Gott wohnt in'n Himmel. He kann up uns rünnerkieken un he passt up uns up."
För Jonas, mien veerjohrig Jung, is dat ganz un gor kloor un normal. He weet dat heel wiss. Dat is ok seeker good för hüm. He föhlt sik uphoben, ok wenn wi mal nich bi hum ween köönt.
Man, wenn wi öller word, denn fangt dat Överleggen an. Un denn froogt sik mennigeen: „Is dat würelk so?" An een Gott, de in'n Himmel wohnt un up uns rünnerkiekt könnt voel nich mehr glööven. Voel Minschen seggt denn, dat se bloots an dat glöben könnt, wat se ok vör ehr egen Ogen sehn köönt. Dor denn een Antwort up to finnen is nich licht. Wi weeten nich, of Gott dor is, man wi wölt to glieke Tied ok gern weeten, föhlen, dat he bi uns is.
As ik mit mien Theologiestudium anfungen hebb, weer ik in de eerste Tied teemlich dör'nanner. Ik har jüst mien Abitur maakt un was van mien ostfreesk Dörp in een groode Stadt trucken. To Huus, in mien Karkengemeen, in't Posaunenchor weer dat all sünnenklor för mi ween, wo dat is mit den Gloven, mit Gott. Dor harn wi ok nich sünnerlich veel över diskuteert.
Man nu, an de Universität, weer dat allns anners. Eerstmal gung dat dorüm, Hebräisch un Griechisch to leern, dat wi denn ok de Bibel in de Originalspraak lesen kunnen. In de Seminaren hebbt wi leert, de Teksten un Geschichten ut de Bibel genau to ünnersöken. Allns wuur up den Grund gahn. Un ik wuss irgendwenner nich mehr, wat ik noch glööven schull.
Dor kreeg ik Visiet van mien ollen Posaunenbaas. Wir hebbt uns buten in een Park up de Bank hensett. Un ik vertell hüm all, wat ik in de letzte Tied beleevt har. Lang hör he sik mien Klagen an, ohn dat he wat segen dä.
Upletzt meen he to mi: „Up een Saak kannst' di wiss verlaaten: Gott is nich wiet van di weg. Bloot - mit all dien Sineree kannst du nich dichter an hüm rankomen. Dat is wat, dat könnt wi Minschen nich."
He leen sik mit sien Rüg achter an de Leen un keek in de Sünn. Ik muss ok över sien Worden erstmal nahdenken. Genau dat har ik jo de ganze Tied versöcht: Wenn ik bloots genog över Gott nahdenk, hebb ik docht, denn bün ik mi ok irgendwenner in mien Gloven seeker. Man gahn deit dat nich. Dat harr ik flink rut. Noch een ganz Sett keek mien oole Fründ in de Sünn un sä nix. Man denn meen he: „Ik glööv, dat is so, dat Gott nah uns Minschen henkomen is un nich annersrüm. Gott sülvst is Minsch wurrn. Un he hett all dat mitmaakt, wat wi Minschen in uns Leben ok beleven. Ik glööv, dat he uns dorüm ok so good verstahn kann. Di ok, mien Jung!" Wilko Burgwal





Wilko Burgwal
Celle
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Und hier die hochdeutsche Fassung des Textes:
Keinem von uns ist Gott fern.
(Apostelgeschichte 17, 27)

„Gott wohnt im Himmel. Er kann auf uns runtersehen und er passt auf uns auf." Für Jonas, meinen vierjährigen Sohn, ist das völlig klar und normal. Er weiß das ganz genau. Das ist sicher gut für ihn. Er fühlt sich aufgehoben, auch wenn wir einmal nicht bei ihm sein können.
Aber, wenn wir älter werden, fangen wir an zu überlegen. Und so mancher fragt sich dann: „Ist das denn wirklich so?" An einen Gott, der im Himmel wohnt und auf uns heruntersieht, können viele dann nicht mehr glauben. Viele Menschen sagen, dass sie nur noch an das glauben können, was sie auch mit ihren eigenen Augen sehen können. Hierauf eine Antwort zu finden ist nicht leicht. Wir wissen nicht, ob Gott da ist, und wir wollen gleichzeitig wissen, fühlen, dass er da ist.
Als ich mit meinem Theologiestudium anfing, war ich in der ersten Zeit sehr unsicher. Ich hatte gerade mein Abitur gemacht und war aus meinem ostfriesischen Dorf in eine große Stadt gezogen. Zu Hause, in meiner Kirchengemeinde, im Posaunenchor war es für mich klar gewesen, wie das mit dem Glauben, mit Gott ist. Darüber hatten wir eigentlich auch nicht viel diskutiert.
Aber jetzt, an der Universität, war alles anders. Zuerst ging es darum, Hebräisch und Griechisch zu lernen, damit wir dann auch die Bibel in der Originalsprache lesen konnten. In den Seminaren lernten wir, die Texte und Geschichten aus der Bibel genau zu untersuchen. Allem wurde auf den Grund gegangen. Und ich wusste irgendwann nicht mehr, was ich noch glauben sollte.
Da bekam ich Besuch von meinem alten Posaunenchorleiter. Wir setzten uns draußen in einem Park auf eine Bank. Und ich erzählte ihm alles, was ich in der letzten Zeit erlebt hatte. Lange Zeit hörte er sich meine Klagen an, ohne dass er ein Wort dazu sagte.
Schließlich meinte er: „Auf eine Sache kannst du dich verlassen. Gott ist nicht weit von dir weg. Nur - mit deinem ganzen Nachdenken kannst du nicht dichter an ihn herankommen. Das ist etwas, was wir Menschen nicht können."
Er lehnte sich mit seinem Rücken an und schaute in die Sonne. Ich musste über seine Worte nachdenken. Genau das hatte ich ja die ganze Zeit versucht: Wenn ich nur genug über Gott nachdenke, dann bin ich mir auch in meinem Glauben sicher. Aber das funktioniert nicht. Das hatte ich schnell gemerkt. Noch eine ganze Zeit schaute mein alter Freund in die Sonne und sagte nichts. Dann meinte er: „Ich glaube, es ist so, dass Gott zu uns Menschen gekommen ist und nicht umgekehrt. Gott selbst ist Mensch geworden. Und er hat alles mitgemacht, was wir Menschen in unserem Leben auch erleben. Ich glaube, dass er uns darum auch so gut verstehen kann. Dich auch, mein Junge!" Wilko Burgwal





Wilko Burgwal
Celle
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