Wort zum Monat Juli 2003

Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach.

(Jakobus 1, 22)

Es gibt Worte der Bibel, die sind aus sich selbst heraus verständlich und bedürfen im Grunde keiner weiteren Erläuterung. Diese Mahnung aus dem Jakobusbrief gehört in diese Kategorie. Martin Luther hat sie so übersetzt: „Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein.“ Ist doch klar, mag man sich denken. Wer die Hände in den Schoß legt und in Passivität verharrt, wer den Schritt nicht von Hören zum Handeln aus Einsicht geht, der hat irgend etwas nicht verstanden.
Warum aber präsentieren biblische Schriften Texte, deren Sinngehalt ganz selbstverständlich ist? Es legt sich die Antwort nahe, dass auch an das Selbstverständliche immer wieder einmal erinnert werden muss und manches, was in der Theorie sonnenklar formuliert ist, offensichtlich in der Praxis nicht funktioniert.
Wer das Neue Testament vor Augen hat, wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, als kommentiere Jakobus mit seinen Ausführungen einige Abschnitte des Römerbriefs. Darin hat der Apostel Paulus die Rechtfertigung des Glaubenden allein aus der Gnade Gottes formuliert. Martin Luthers (Wieder)Entdeckung dieses für die evangelische Kirche zentralen Gesichtspunktes, fordert uns auf, mit den Augen Gottes zu sehen. Wir sind mehr als die Summe unserer Taten - und unserer Untaten. Unsere Würde ist uns von Gott gegeben. Sie muss nicht erst hergestellt oder gar verdient werden. Allein dadurch, dass der Mensch auf Christus vertraut, ist er vor Gott gerecht - ohne seine Taten. Das war Luthers Erkenntnis, als er sich mit dem Römerbrief (3,28) beschäftigte.
Es ist nicht zu leugnen, dass in dieser einseitigen Betonung auch eine Gefahr steckt - sich selbst passiv zu verhalten, mit Scheuklappen durch die Welt zu laufen und womöglich nur auf sich zu schauen und die eigenen Bedürfnisse zu sehen. „Wer nichts tut, macht auch keine Fehler“, heißt es im Volksmund.
Diese Gefahr hat schon Jakobus gesehen und wohl zu seinen Ausführungen veranlasst, der Rechtfertigung des Glaubenden allein aus der Gnade Gottes den Hinweis auf die Notwendigkeit des Handelns gegenüber zu stellen. Luther hat das gar nicht gefallen. Nicht umsonst hat er den Jakobusbrief als „strohern Epistel“ bezeichnet. Im Klartext: Dieser neutestamentlichen Schrift konnte er nichts abgewinnen.
Letztlich geht es hier nicht um die Frage, wer Recht hat: Paulus oder Jakobus? Es geht darum, vor Einseitigkeiten bewahrt zu werden und zu erkennen, wie die unterschiedlichen Aussagen des Neuen Testamentes doch ein stimmiges Gesamtbild ergeben.
Von Gott gerechtfertigt zu sein, heißt nicht, dass ich nichts tun soll. Ganz im Gegenteil: Wer weiß, dass Gott schon alles zu meinem Heil getan hat - das ist die unabdingbare Voraussetzung -, kann sich um so engagierter einem anderen Menschen oder einer Sache zuwenden. Glaube und Handeln gehören so untrennbar zusammen. Wer das nicht wahrhaben will, dem sei noch eine weitere Mahnung des Jakobus mit auf den Weg gegeben: „So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber“ (2,17).
Pastor Udo Hahn






Pastor Udo Hahn
Oberkirchenrat und Pressesprecher bei der Vereinigten Evangelisch-lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) in Hannover
Homepage: VELKD

Die Meditationen wurden veröffentlicht im Rahmen der
Homepage der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover.
Die Rechte an den Texten liegen bei den Verfassern.


zur Übersichtsseite der Meditationen