Wort zum Monat Juni 2005
Wir müssen durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes eingehen.
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Gerade erst gesteinigt und aus der Stadt geschleift; halbtot liegen gelassen. Jetzt, einen Tag später vermutlich mit sichtbaren Wunden, andere getröstet und ihnen Glauben und Rücken gestärkt: Paulus weiß, wovon er spricht. Die Bedrängnisse, er hat sie am eigenen Leib erfahren und erlitten. Ins Gefängnis geworfen wurde er, gesteinigt und kam mit knapper Not davon, verfolgt von ehemaligen Bundesgenossen, sein Körper machte ihm zu schaffen. Trotzdem verlor er sein Ziel nicht aus den Augen: das Reich Gottes. Er sehnte es herbei, zu seinen Lebzeiten noch hat er es erwartet. Ganz nah.
Wenn ich überlege, was ich als „Bedrängnis" erlebe - da muss ich lange nachdenken. Natürlich, die rückläufigen Finanzen und die Frage, ob wir als Kirche noch gehört oder gebraucht werden. Aber ist das Bedrängnis? Oder nur Lamento? Ich bin etwas ratlos. Natürlich weiß ich, dass Paulus die Bedrängnis auch eschatologisch versteht. Im Horizont des hereinbrechenden Reiches Gottes gibt es Kräfte, die dem entgegen wirken wollen. Letztlich werden sie aber überwunden. Das Reich Gottes wird durch Gott selbst offenbar und bleibt Ziel und Richtung für den Apostel und die Gemeinden. Die Leiden seiner Gegenwart zählen wenig gegenüber dem, was nahe ist: Gemeinschaft mit Gott in und durch Jesus Christus. Der Trost, den Paulus für sich daraus empfängt und anderen weitergeben kann, ist stark und tief. Er hängt nicht von ihm selbst ab, ist aber auch keine billige Vertröstung. Weil er seinen Tiefgang aus der Mitte des Glaubens schöpft. Es ist der Trost Jesu Christi, der vorher schon durch die Bedrängnis hindurch geführt wurde und auferweckt ist. Er ist als erster durch die Bedrängnisse in das Reich Gottes eingegangen. Viele Menschen, denen ich begegnet bin, halten es mit dem Trost des 23. Psalms: „Und ob ich schon wanderte im Finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich." Auch da ist Bedrängnis gewesen und überwunden. Und auch dort am Ende der Ausblick auf Gottes Ewigkeit: „Ich werde bleiben…" Ist es auch eine Frage der Perspektive, wie ich mit der Bedrängnis lebe? Es gibt genug, was mich bedrängt, mir zu schaffen macht, mich bedrückt, mir zur Belastung und Last wird. Schlage ich die Zeitung auf, springt es mir entgegen: Unsere Welt ist noch lange nicht so, wie sie von Gott gedacht ist. Trost ist hier nicht zu holen, in den vielen trostlosen Zuständen und Geschehnissen. Terror und Krieg, Hunger, Unterdrückung und Verdrängung sagen: Es ist kein Gott, der seine Zukunft einmal gegenwärtig sein lässt. Vielleicht würde Paulus antworten: Die Bedrängnis bleibt uns nicht erspart, aber schon einmal hatte die Welt ein Todesurteil gesprochen und Gott hat es überwunden. Hoffnung ist nicht vergebens unter Gottes Himmel, im Horizont seines Reiches. Und die Welt wird nicht das letzte Wort behalten. Frank Niemann Pastor in Peine Homepage: St.-Jakobi-Kirchengemeinde, Peine
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