Wort zum Monat März 2006

Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.

(Johannes 11, 27)

Manchmal kann ich nicht daran glauben, dass eines Tages mehr Saatkörner geworfen werden als Bomben oder hässliche Worte. Manchmal kann ich nicht glauben, dass Menschen mit der real existierenden Demokratie richtig umgehen können und wollen. Oder dass ich mich irgendwann mit meinem unverschämten Nachbarn zuhause arrangieren kann. Mein Glaube an Frieden auf Erden ist zerbrechlich.
„Ja, Herr, ich glaube, dass Du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist."

Manchmal kann ich mich nicht mit meiner Arbeit identifizieren. Ja, manchmal glaube ich nicht, dass das, was ich beruflich oder privat tue und lasse, sinnvoll ist. Manchmal ist mein Handlungsspielraum so klein, dass ich mich überflüssig fühle. Mein Glaube an den Sinn meines Lebens ist zerbrechlich.
„Ja, Herr, ich glaube, dass Du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist."

Manchmal freue ich mich über meinen Gehaltsstreifen mehr als über mein Ordinationsversprechen. Manchmal glaube ich nicht, dass ich noch weinen kann, wenn jemand vor mir innerlich zusammenbricht. Oder lachen, wenn er Flügel hat. Manchmal glaube ich nicht, dass meine Frau mich trotz meiner Unzulänglichkeiten liebt. Mein Glaube an die Liebe ist zerbrechlich.
„Ja, Herr, ich glaube, dass Du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist."

Manchmal kann ich nicht an Gott glauben. An den Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden und Gott geblieben ist. Da höre ich lieber seichte Klänge, die von Energie, Rückenwind und Moral reden, die mir aber weder Herz noch Hirn trösten können. Manchmal ist mein Glaube an Gott zerbrechlich.
„Ja, Herr, ich glaube, dass Du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist."

Und jetzt?

„Und als Martha das gesagt hatte, ging sie hin und rief ihre Schwester Maria heimlich und sprach zu ihr: Der Meister ist da und ruft Dich. Als Maria das hörte, stand sie eilend auf und kam zu ihm."
Jesus Christus ruft mich. Er beruft mich heimlich durch andere Menschen. Das ist eine Möglichkeit, mit der Gott Kontakt zu mir aufnimmt. Gott macht den ersten Schritt, ich mache den zweiten. Jetzt fühle ich: Ich glaube nicht an den Frieden, ich glaube auch nicht an den Sinn des Lebens und ich glaube nicht an die Liebe. Aber ich glaube, dass Gott Frieden schenkt, dass Gott Sinn aufblühen lässt und dass Gott Menschen stärkt in der Liebe.
Mein Glaube macht mir Herz und Hirn frei, mit Gefühl und Tatkraft für Frieden, Sinn und Liebe zu arbeiten und zu beten.
Um Gottes willen stimme ich in Marthas Gesang ein: „Ja, Herr, ich glaube, dass Du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist."


Pastor Lars Wißmann






Lars Wißmann
Pastor im Landeskirchenamt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover
www.evlka.de

Die Meditationen wurden veröffentlicht im Rahmen der
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