Wort zum Monat Januar 2006

Jesus Christus spricht:
Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben.

(Johannes 3, 36)

„Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben." Der erste Monatsspruch im Neuen Jahr 2006 lädt mich in die Auseinandersetzung mit Glauben und ewigem Leben ein. Wenn Glauben nicht ein bloßes Vermuten meint und ewiges Leben mehr bedeutet als ein Leben in einer endlosen Eintönigkeit, wecken diese Bibelworte mein Interesse; sie treffen sich mit meinen Wünschen und Hoffnungen, auch mit meinen Ängsten, im Hinblick auf die noch ungewisse Zukunft. So suche ich, umgeben von allerlei alltäglichen Sprüchen, die auf mich einwirken, meinen persönlichen Zugang zu dem Bibelspruch. Ich kann mir dafür Zeit nehmen, einen ganzen Monat lang und noch länger, wie Maria möchte ich die Worte in meinem Herzen bewegen, sie wirken lassen, dass sie mein Vertrauen stärken und in mir die Sehnsucht nach dem Leben wach halten, das mehr ist als das, was ich vor Augen habe.
„Wer an den Sohn glaubt…" Ich höre diese Worte zunächst losgelöst aus dem biblischen Zusammenhang, sie lassen in mir elementaren Lebenssinn, Familiensinn, anklingen. Der Glaube, den ich als Vater/Mutter meinen Kindern schenke, wie kostbar für den Sohn, die Tochter, was für ein nährstoffreicher Mutter- und Vaterboden, den ich ihnen damit bereite. Ich glaube, ich vertraue dir, meine Tochter, mein Sohn. Ich spüre, indem ich so denke oder spreche, Leben in mir. Leben, das mich hier und heute durchströmt, mich erfüllt, und mich nicht selbstzufrieden auf der Stelle treten lässt. Leben, das mich beflügelt, sich am Heute und Hier freut und zukunftsträchtig, beständig, bleibt. Leben, das vor Gott bestehen kann.
Für Christinnen und Christen hat das Leben durch Jesus Christus ein unverwechselbares Gesicht bekommen, mit dem mich Gott anschaut, liebevoll, achtsam, mit leuchtenden Augen. Welch ein Segen. „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben."
„…der hat das ewige Leben." In die Bekräftigung des Glaubens an „das ewige Leben" mündet das christliche apostolische Glaubensbekenntnis. Ich habe das Leben nicht wie einen Besitz. Leben ist nicht verfügbar. Ich habe es nicht in den Händen, schon gar nicht das ewige Leben, das wie Jesus „von oben", „vom Himmel", „von Gott" kommt (Johannes 3,31-34). Solches Leben zu haben bedeutet, im Glauben an Jesus an Gottes Lebendigkeit Anteil zu haben, ergriffen und gehalten zu sein. In diesem Sinn höre ich Johann Sebastian Bachs „Wohl mir, dass ich Jesus habe…"
Es ist Johannes der Täufer, der uns mit dem Monatsspruch in sein Glaubensbekenntnis hineinnimmt, es ist zugleich Zeugnis des Evangelisten und der Gemeinde. Vieles ist in der Welt zu haben. Aber das Leben zu haben, kann eben nicht bedeuten, es zu besitzen und darüber zu verfügen. Weil das Leben nicht von uns gemacht, sondern ein Geschenk ist, Geschenk aus Gottes Hand. So bin ich im Glauben an den Sohn, den Gott liebt und alles in seine Hand gegeben hat (V.35), gefragt, was ich an jedem neuen Tag einer Woche, des Monats oder dieses Neuen Jahres habe, was der Tag mir gebracht hat und was ich selbst einbringen wollte. Um des Lebens willen. Aber dieses Leben gibt es nicht heimlich; man kann es sich nicht wie Nikodemus in der Nacht unter Ausschluss des Lebensalltags und der Menschen, mit denen man zu tun hat, holen (Johannes 3,1-21). Lernen möchte ich von dem Apostel Paulus, der von sich sagte: „Nicht, dass ichs schon ergriffen habe, ich jage ihm aber nach, ob ichs wohl ergreifen könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen bin…" (Philipper 3,12).
Ich hoffe, nie sagen zu müssen: ich habe den Glauben an den Sohn, das Vertrauen zu ihm, verloren. Denn dann hätte ich ja das Leben, das ewige Leben, verloren. Ich will Gott täglich, nicht nur in diesem Monat, bitten, dass er meinen Glauben stärkt und sein Lebenshauch mich berührt.

(Erstveröffentlichung, hier in leicht veränderter Form, in: PASTORALBLÄTTER. Predigt, Gottesdienst, Seelsorge, Die Praxis, 146.Jg., S. 6f.)
Pfarrer Heinz Janssen






Heinz Janssen
Pfarrer an der Providenz-Kirche in Heidelberg (Altstadt/City),
Herausgeber des Heidelberger Predigt-Forums
www.predigtforum.de

Die Meditationen wurden veröffentlicht im Rahmen der
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