Wort zum Monat Mai 2003

Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.

(Römer 15, 7)

„Ich kann ihn nicht riechen“, sagt der Mensch, der einen andern nicht ausstehen kann. Oder es ist die „Nase“, die ihm an seinem Gegenüber nicht gefällt.
Mustern Sie einmal durch, wo überall Menschen sich nicht annehmen konnten oder können.
Konflikte vergiften die Atmosphäre, vor allem jeder für sich meint: Ich muß Recht haben. Ich muß Recht bekommen. Denn jeder hält sich für den Besseren, Klügeren, Erfahreneren, Frömmeren - wie auch immer. Besonders beliebt unter Christen: Jeder nimmt Christus gleichsam für sich allein in Anspruch.
Ich wünsche mir eine christliche Gemeinde, die „Licht der Welt“ ist. Ich wünsche mir eine Gemeinde, die ermutigende Beispiele gibt und Zeichen setzt. Ist das möglich? Oder bleibt es bei der Klage über die allgemeine Unfähigkeit, Streit zu schlichten, Konflikte zu lösen, Gegensätze nicht so ernst zu nehmen?
Gott ist ein Gott der Geduld, ein Gott des Trostes, der liebende Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Gott der Hoffnung, der den Heiligen Geist schenkt - und mit ihm Frieden und Freude. Dieser Gott beweist gerade durch das Kommen des Jesus von Nazareth, dass sich seine Verheißungen erfüllen. Gott lebt in Jesus Christus. Das ist ein Akt der Befreiung für uns Menschen. Wer befreit ist, der kann auch andere befreien. Wer versöhnt ist mit Gott, kann sich auch mit anderen versöhnen. Wem Schuld vergeben ist, kann auch anderen Schuld vergeben. So beten wir es jedenfalls im Vaterunser.
Gott lädt uns ein, auf die Botschaft der Hoffnung und Verheißung zu hören - vor allem, wenn sich unüberwindliche Gräben auftun, wenn Menschen im Glauben resignieren.
Alles, was wir jetzt noch als vorläufig und unvollkommen, als ungerecht und unverständlich erfahren, wird am Ende der Tage zur Vollendung und Erfüllung kommen. Und dann werden wir uns annehmen, „wie Christus uns angenommen hat zu Gottes Lob“. Dann wird endgültig klar, dass Christus zur Herrschaft über die Welt berufen wurde.
Ist das eine Vertröstung auf eine ferne Zukunft? Nein: Im Glauben und im Vertrauen hat Christi Herrschaft längst begonnen und will - allen Widrigkeiten zum Trotz - schon jetzt in uns zur Wirkung kommen. Dieses Vertrauen ist ein Gegengift gegen alle Resignation.
Christus trägt uns. Und Christus erträgt uns, in all unserer Unvollkommenheit, Fragwürdigkeit und Unzulänglichkeit. Diese Geduld Jesu ist eine Einladung, es selbst auszuprobieren und gegenüber anderen Geduld zu zeigen.
Paulus sagt: Wenn man das tun will, muß die christliche Gemeinde immer wieder zusammenkommen und Gott einmütig, aus einem Munde loben „aus Hoffnung“.
Gott loben aus Hoffnung. Gemeinsame Orientierung aus einer geglaubten Zukunft heraus. Darum geht es beim Zusammenleben in der Gemeinde Jesu Christi. Danach kommen die Aufgaben, wie sie sich bei jedem menschlichen Zusammenschluss ergeben, vor allem anderen gegenseitige Hilfe.
Die endgültige Erfüllung von Gottes Verheißungen steht noch aus. Aber Gemeinde hört nicht auf Gott zu loben, auf Gott zu hoffen und ihm zu dienen. Die Kraft Gottes, die Menschen anzunehmen, sie ist noch wirksam. Nehmen wir einander an, mit seiner Hilfe, nach seinem Beispiel. Pastor Ralf Tyra






Pastor Ralf Tyra
Sekretär der Hanns-Lilje-Stiftung / Hannover
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Die Meditationen wurden veröffentlicht im Rahmen der
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